Auf diesem Hintergrund nun zurück zu meiner Ausgangsfrage. Gibt es eine Hölle? „Natürlich gibt es die Hölle!“, möchte ich auch hier spontan ausrufen. „Ich erlebe sie doch!“ „Das war die Hölle!“, sagen wir, wenn wir etwas wirklich Schreckliches erleben und durchlei- den mussten. Die Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten sind durch die Launen und Gewissenlosigkeit Mächtiger in schreck- liche Höllen gestürzt worden. Es ist die Hölle, Kinder verhungern zu sehen. Es ist die Hölle, sein Haus, alles, was man hatte und was einen geschützt hat, vielleicht ein Körperteil oder einen lieben Familienangehörigen zu verlie- ren. Es ist die Hölle, durch schwere Krankheit gehen zu müssen. Wir sehen die Hölle anderer mit an, und einige von uns erleiden selber eine Hölle am eigenen Leib, im eigenen Leben. Und doch könnte man in Analogie zu dem Satz von der Dunkelheit sagen: „Es gibt keine Hölle.“ Es g i b t nur Gott, das Leben. Die Abwesenheit Gottes bedeutet „Hölle“ und Tod. Also i s t dann Gott irgendwo nicht? Nein, nach biblischem Verständnis und Glauben kann Gott gar nicht ‚nicht sein‘. Er ist der Sei- ende, JHWH, der „Ich bin da“, das „Sein selbst“, das „Sein“ in seiner ganzen ursprünglichen Tiefe und in allem, was i s t . Das bleibt die Wahr-heit. Es liegt an unserer Wahr-nehmung. Wir erleben Hölle, wo uns Gott (oder die Erfah- rung von Gottes Da-Sein) fehlt. So ‚gibt‘ es unbestreitbar menschliche E r f a h r u n g von Dunkelheit, Trockenheit und ‚Hölle‘. (Als solche ist es gut, sie da sein zu lassen vor Gott, damit er sie heilen und verwandeln kann. Alles, was wir verdrängen, wegschieben, nicht „bearbeiten“ wollen, kommt irgendwann in anderem Gewand wieder, wird uns erneut zur Bearbeitung vorgelegt.) Nachgedacht Aber da Dunkelheit, Trockenheit und Hölle kein eigenes ‚Sein‘ haben, tun wir auf der anderen Seite gut daran, ihnen keine Macht zuzugestehen, uns nicht darauf zu fokussieren, als wären sie etwas, was wirklich Bestand hät- te und ernsthaft ins Gewicht fallen würde. Die gegenteilige Metapher zu Hölle ist Him- mel. ‚Himmel‘ ist, wo Gott ist. ‚Himmel‘ steht für den Bereich oder die Sphäre Gottes, für alles, wo er ist, wirkt, sich durchsetzt. In unse- rer Erfahrung ist es das, wo Leben gelingt, wo wir etwas von Heilwerden, Friede und Freude erleben, entdecken, erspüren, wo wir uns mit dem Leben verbunden fühlen. Um die Erfahrung von ‚Himmel‘ zu machen, uns ‚himmlisch‘ zu fühlen, brauchen wir die Ausrichtung, Anbindung und Achtsamkeit auf Gottes Sein und Gegenwart - in uns, in allem Lebendigen, in dieser ganzen Welt. Sowohl im Kleinen in unserem Alltag, als auch im Großen in unserer Gesellschaft, der Weltpolitik und dem Weltgeschehen. Wie also komme ich in den Himmel? Ich bin überall da im Himmel, wo ich Gottes Dasein und Wirken wahrnehme und entde- cke - „mitten unter euch“ (Lk 17,21). Indem ich mich mit Gott, der Urquelle des Lebens, dem Sein selbst verbinde. Immer wieder neu. Verbunden mit ihm wie die Rebe mit dem Weinstock fließt mir immer neuer Lebenssaft zu, werde ich immer neu erfrischt, belebt und Frucht wächst und reift in meinem Leben. „Wende dein Gesicht der Sonne zu, so fallen die Schatten hinter dich.“, lautet ein bekannter Spruch aus Afrika. Ich lasse mich und mein Herz durch-lichten von Christus, dem Licht des Lebens, und die Dunkelheiten werden unweigerlich erhellt. Ich lasse Gottes Leben- digkeit durch mich fließen und ich werde ein bewässerter Garten, wie ein Baum an den Winter 2025/2026 I Seite 11